Roth, Gerhard/Ryba, Alica: Coaching, Beratung und Gehirn. Kartoniert, 384 Seiten; Klett-Cotta-Verlag, 2016, 29,95 €
„Das erste neurowissenschaftlich fundierte Grundlagenwerk für Coaching“, so titelt der Klappentext dieses Buches und allein für diesen Tatbestand verdient es schon fünf Sterne. Denn Tatsache ist: Auch wenn wir die Erfahrung gemacht haben, dass Coaching (wenn es gut gemacht ist / meistens) wirkt und dies neuerdings auch von der aufkeimenden Coaching-Forschung bestätigt wird: Wir wissen noch viel zu wenig darüber, wie Coaching wirkt und warum, was zu tun und was zu lassen ist. Häufig erstreckt sich das „Wissen“ im Coaching vor allem auf mehr oder weniger diskutierbare philosophische Annahmen und darauf aufbauende methodische Vorgehensweisen. Nicht selten wurden diese auch im Feld der Psychotherapie „erwildert“ in der stillschweigenden (aber bislang nicht zweifelsfrei nachgewiesenen) Annahme, dass beide Disziplinen nach den gleichen Gesetzmäßigkeiten funktionieren.
Umso mehr tut es Not an fundierter neurowissenschaftlicher Kenntnis darüber, wie Gehirn, Lernen und Veränderung funktionieren. Genau hier knüpfen die Autoren mit ihrem Buch an. Sie gehen dabei streng wissenschaftlich vor, definieren zunächst den Begriff Coaching, diskutieren Schnittmengen und Abgrenzungen zwischen Psychotherapie und Coaching, bevor sie sich dem menschlichen Gehirn und seiner Funktionsweise zuwenden. Von diesem Hintergrund ausgehen spannen sie dann den Bogen von Persönlichkeit, Lernen, Gedächtnis, über das Unbewusste, Bewusste und Vorbewusste, Motivation und Veränderbarkeit bis hin zu Bindung und Verstehen. Sie erörtern die Ansätze der Psychoanalyse Siegmund Freuds und der Hypnotherapie Milton Ericksons aus neurowissenschaftlicher Perspektive und untersuchen schließlich, wie wirksam Coaching und Psychotherapie sind. Im letzten Kapitel schließlich stellen Sie auf erstaunlich wenigen Seiten ihr eigenes Modell von Coaching vor, welches auf dem bisher Gesagten aufbaut und — wenig überraschend – zu ähnlichen Schlussfolgerungen kommt, wie die bisherige Forschung zu den Wirksamkeitsfaktoren in Coaching und Psychotherapie.
Insofern bietet das Buch im Endergebnis wenig revolutionär Neues für denjenigen, der sowohl mit den traditionellen Konzepten als auch mit den aktuellen Forschungen vertraut ist. Jedoch kommt ihm der unbestreitbare Verdienst zu, Psychologie (v.a. tiefenpsychologischer Prägung) und Neurowissenschaften für das Feld „Coaching und Beratung“ zusammen geführt und aufbereitet zu haben und so einem breiten Fachpublikum aus diesen Disziplinen besser zugänglich gemacht zu haben, um nicht zu sagen „auf dem Silbertablett“ zu präsentieren.
Sie haben damit ein Standardwerk geschaffen, an dem kein Coach oder Berater, der sich selbst als „professionell“ bezeichnet, zukünftig vorbei kommt.
Dass ein überaus umfangreiches Literaturverzeichnis das Buch vervollständigt, versteht sich angesichts des wissenschaftlichen Anspruchs und der Herkunft der Autoren von selbst.
change concepts-Fazit: Wie der Klappentext schon behauptet ein umfassendes, psychologisch und vor allem neurowissenschaftlich fundiertes Grundlagenwerk, welches Pflichtlektüre für jeden seriösen Berater und Coach sein sollte.