Liebe Julia, nach deiner Coaching-Ausbildung bei change concepts hast du dich als Coach selbstständig gemacht. Wann war das genau und was bietest du genau an? Wer ist deine Zielgruppe? Was macht dich als Coach aus?
Nachdem ich meinen alten Job nach der Coaching-Ausbildung 2013 gekündigt hatte, habe ich zunächst noch ein paar Jahre in einer Personalberatung gearbeitet. Dort wurden damals Coaching und Personalentwicklung als Produkte angeboten. Ich habe gedacht, es ist gut für mich, vor der Selbstständigkeit als Coach genau zu wissen, wie ich Coaching auch „verkaufen“ kann. Dort habe ich viel im Umgang mit den so genannten „Business-Kunden“ gelernt. Im März 2017 habe ich mich dann als Coach selbstständig gemacht. Ich profitiere zur Zeit davon, dass ich in meinem ehemaligen Arbeitgeber nun meinen ersten Auftraggeber gefunden habe. Für ihn bin ich als „Karriere-Coach“ tätig. Das ist kein reinrassiges Coaching, sondern eine Mischung aus Coaching und Karriereberatung. Entweder, um in einen neuen Job zu kommen, sich im Unternehmen besser aufzustellen oder um Perspektiven auszuloten. Daneben biete ich Coaching mit systemischen Methoden und Wingwave an und arbeite auch als Trainerin und Speakerin.
Schließlich hatte ich auch das Glück, als Gründungscoach mit beim „Elterngarten“ einsteigen zu können. Wir kümmern uns deutschlandweit um Eltern in der Elternzeit mit einem mehrteiligen Gruppencoaching. Es geht darum, die Elternzeit zu nutzen, um eine Vision als Familie und glückliche Mutter/Vater zu finden, evtl. im Zusammenhang mit Berufstätigkeit oder anderen Themen.
Generell geht es mir bei all meinen Coachings darum, mit den Klienten herauszufinden „Wie entfalte ich mein volles Sein oder Potenzial, mein Talent, meine Kraft?“ getreu dem Motto „What is life about – Worum geht es wirklich in meinem Leben?“ Mir ist wichtig, mit den Klienten Lösungen für ihren Leidensdruck zu finden und dabei ganzheitlich zu arbeiten. Oft geht es auch um Strategien im Zusammenhang mit An- und Entspannung. Unterstützend arbeite ich mit vielen Klienten auch an den Themen Ernährung und Achtsamkeit, um Ressourcen weiter zu stärken.
Wie lief das so mit der Existenzgründung? Was hat dir geholfen und welchen Herausforderungen hast du gegenüber gestanden?
Ehrlich gesagt hatte ich große Angst davor. Ich war als „Beamtenkind“ von Haus aus sicherheitsliebend. Zum Glück gab es aber auch Unternehmer in unserer Familie. Das hat mir Mut gemacht. Zudem hat das Glück nachgeholfen: Mein letzter Arbeitgeber hat sich grundlegend neu aufgestellt und die Themen, die mir am Herzen lagen, fielen weg. Daher konnte ich mich mit ihm darauf einigen, als freie Mitarbeiterin für ihn zu arbeiten. So hatte ich durch ein Stück gesicherte Aufträge das Quäntchen Mut, das ich brauchte, um den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen.
Es hat mir sehr geholfen, dass ich durch meine Berufserfahrung wusste, wie Vertrieb funktioniert. Jedoch stand ich jetzt auch einer neuen Zielgruppe gegenüber im sogenannten „Business-to-Customer-Geschäft.“ In gewisser Weise hat meine Strategie aber nicht funktioniert. Ich war es gewohnt, dass ich ein fertiges Produkt auf den Markt bringe. Auf einmal dämmerte mir, dass ich zum großen Teil auch selbst das Produkt war. Gerade meine persönlichen Geschichten und meine Verletzlichkeit waren jetzt gefragt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Das war eine steile Lernkurve. Was geholfen hat und weiterhin hilft, ist ein Netzwerk mit Coachs und Beratern, die sich selbstständig gemacht haben.
Fakt ist, dass neben zwei Kindern ein eigenes Unternehmen mehr Arbeit ist als eine reguläre Teilzeitstelle. Manchmal ist das schon sehr kräftezehrend. Aber dafür genieße ich, dass ich Herrin über meine Zeiteinteilung bin. Das ist ein so wertvolles Stück Freiheit!
Kannst du heute von deiner Arbeit als Coach leben? Zu wie viel Prozent etwa?
Da ich eine Mischform gewählt habe zwischen Beratung, Coaching und Workshops kann ich davon leben, wenn ich bedenke, dass ich ja in Teilzeit arbeite. Ich habe das Glück, nicht alleine den Familienunterhalt zu stemmen.
Alles zusammen genommen – würdest du den Schritt der Existenzgründung wieder tun?
Es ist ja noch ganz frisch. Und: Ja, auf jeden Fall! Der Anfang ist nicht ganz einfach gewesen, da noch so einige hinderliche Glaubenssätze in mir aktiv waren. Gerade am Anfang heißt es bereinigen, kritisch fragen: Was kann ich loslassen? Was brauche ich noch als Ressource? Das bedeutet auch Supervision und sich selbst coachen zu lassen. Zu diesem Zeitpunkt wieder Geld zu investieren ist nicht einfach, jedoch notwendig, finde ich. Und: Meine Selbstwirksamkeit und Selbstbestimmung kann ich durch die Selbstständigkeit voll ausleben.
Zum Abschluss: Welchen Tipp kannst du anderen Menschen geben, die über eine Selbstständigkeit als Coach nachdenken?
Ich würde prüfen, ob ich Unternehmereigenschaften habe, z. B. durch Selbsttests oder eine professionelle Unterstützung. Ich glaube, es ist unerlässlich, dass ein selbstständiger Coach ein Netzwerker ist, der gerne mit nicht bekannten Personen ins Gespräch kommt und der sein Netzwerk professionalisiert. Ein Netzwerk ist auch dafür wichtig, emotional aufgefangen zu werden, wenn es mal nicht klappt. Und das wird es am Anfang immer mal. Oder wenn ich mich nicht motivieren kann, keine Ideen habe etc.
Profis behaupten, man müsse sich einen Expertenstatus auf seinem Gebiet erarbeiten. Was jedoch wirklich meiner Meinung nach unerlässlich ist, ist das eigene USP, also das Alleinstellungsmerkmal gegenüber anderen. Was macht mich aus und unterscheidet mich von den anderen? Bevor man das nicht hat, würde ich auch von einer eigenen Website abraten.
Zu guter Letzt: Sucht euch eine professionelle Unterstützung für die erste Zeit in einer Gruppe mit Gleichgesinnten. Dort kann es um Themen gehen wie das eigene USP, Sichtbarkeit im Social Media-Bereich, Akquise-Themen, Organisationsstruktur etc. Das gibt Motivationsschub und Sicherheit.
Liebe Julia, danke dir für das interessante Interview!