Liebe Gabriele, nach deiner Coaching-Ausbildung bei change concepts hast du dich als Coachin selbständig gemacht. Wann war das genau und was bietest du genau an? Wer ist deine Zielgruppe? Was macht dich als Coachin aus?
Einen genauen Zeitpunkt kann ich nicht benennen, es fing schon während der Ausbildung an, dass Kunden zu mir kamen, aber da hatte ich natürlich noch keine Ausrichtung. Zunächst habe ich jeden gechoacht, der das Interesse hatte und bei mir angefragt hat. Da ich auch schon als freiberufliche Projektleiterin selbstständig war, ist es auch schwierig,einen wirklichen Termin der Gründung zu nennen. Ich habe die Ausbildung angefangen mit der Aussage: Ich möchte mir ein zweites Standbein neben meiner Projektleiter-Tätigkeit aufbauen.
Bei Beginn der Ausbildung dachte ich, ich würde in Richtung Outplacement gehen. Während der Ausbildung schwankte ich zwischen verschiedenen Themen hin und her. Durch die Vielfältigkeit der Ausbildung hatte ich viele Anregungen bekommen, war zunächst verwirrt und dachte mir: „Oh wie soll ich da eine Positionierung hinbekommen“? In der Ausbildung haben wir ja mehr als einmal gehört, man solle sich „spitz“ aufstellen, und in dieser Zeit konnte ich mir das nicht vorstellen, mich nur auf ein Thema zu konzentrieren. Es gab dann zwei Erlebnisse in der Ausbildung, die mich zu meiner jetzigen Ausrichtung gebracht haben. Das erste Erlebnis war ein Tetralemma und das zweite der Positionierungstag am Ende der Ausbildung.
Durch diese zwei Erlebnisse ist meine Positionierung immer klarer geworden. Ich habe mich darauf spezialisiert, Projektleiterinnen zu coachen, besonders in den Themen „wie kommuniziert meine Klientin mit meinem Team (vor Ort oder mit dem virtuellen Team),“ „wie kann meine Klientin die Hürden der Kommunikation besser meistern“ und „was sind ihre inneren Blockaden, die sie bewusst oder unbewusst hindern besser zu kommunizieren.“ Aus meiner Rolle als Projektleiterin kenne ich einerseits die Schwierigkeiten meiner Kundinnen und als Coach kenne ich anderseits die Methoden und Fragetechniken, um Denkblockaden oder unterschwellige Ängste mit der Kundin zu bearbeiten. Projekte scheitern in den seltensten Fällen an der Technik, sie scheitern oft an der bewussten oder unterbewussten Kommunikation der beteiligten Personen und Parteien. Genau dort setze ich mit meinem Coaching für Projektleiterinnen an.
Die Kundin hat, wenn sie zu mir kommt, einen gewissen Druck. Sie merkt, es läuft vielleicht nicht gut in ihrem Team oder sie wird nicht akzeptiert. Sie ist vielleicht auch überlastet, weil zu viele Aufgaben auf sie einprasseln, sie wird vielleicht auch nicht wahrgenommen. Die heutigen Arbeitsweisen wie „virtuelle Teams“ und „agile Methoden“ erschweren die Arbeit oder die Kommunikation meiner Kundin, sie hat keine Lösung, um sich aus diesem Dilemma zu befreien oder fühlt sich so unter Druck gesetzt, dass der Lösungsraum für sie nicht mehr sichtbar ist.
In diesem Kontext sind aus meiner Sicht viele Coaching-Themen enthalten, z. B. Grenzen ziehen, Stressabbau und der Umgang mit Stress; Konfliktlösungen und Glaubenssätze. Für all dies benötigt meine Kundin eine klare und eindeutige Kommunikation. D. h. wir arbeiten einerseits an den Themen, die im Coaching hochkommen und andererseits ist mir dann auch schnell klar geworden, dass bei diesem Ansatz auch ein Kommunikations-Training, speziell auf diese Zielgruppe ausgerichtet, sinnvoll wäre. An beiden Themen arbeite ich zur Zeit.
Wie lief das so mit der Existenzgründung? Was hat dir geholfen und welchen Herausforderungen hast du gegenüber gestanden?
Für mich gibt es drei Herausforderungen: Positionierung, eigene Themen und Zeit- und Portfolioplanung.
Wie schon gesagt, die Positionierung war für mich und auch für meine Mitstreiter aus der Ausbildung eines der schwierigsten Themen. Aus dem Positionierungstag heraus haben wir in der kleinen Gruppe, die wir an diesem Tag gebildet hatten, weiter an unserer Positionierung gearbeitet. Das war gut und hilfreich, da man Phasen hatte, in denen man im eigenen Saft gearbeitet hat und dann auch wieder das Treffen mit den Kolleginnen hatte, um das Erarbeitete vorzustellen und prüfen zu lassen – wie einen kleinen Lackmus-Test. Weiterhin hat der Ausstauch auch gezeigt, dass Rom nicht an einem Tag erbaut wurde – auch bei den Kolleginnen nicht. Ich finde den kollegialen Austausch sehr wichtig, dieser hilft mir mich nicht zu sehr unter Druck zu setzen und auch immer wieder mich zu „erden.“
Wichtig für mich war dein im Abschlussgespräch, dass ich meine „Themen aufräumen“ sollte. Im ersten Moment war ich irritiert, aber ich habe angefangen, meine Themen zu bearbeiten. Dies hat dann auch mir wieder geholfen, meine Positionierung zu klären.
Wichtig für mich ist, dass ich mir einen Zeit- und Themenplan vorgegeben habe, damit ich nicht den Fokus verliere. Man kann sagen, die Positionierung war der erste Schritt. Nachdem diese klar war, ist die Schärfung des Portfolios eher ein leichteres Thema. Dennoch ist eine der Schwierigkeiten, sich die Zeit frei zuschaufeln, um an den Themen zu arbeiten. Bei Vollauslastung als Projektmanagerin ist das zurzeit meine größte Herausforderung. Ich schaffe mir freie Blöcke, die ich dazu nutze, Fachliteratur zu lesen oder am Portfolio zu arbeiten. Weiterhin habe ich mir gezielt für mein Portfolio Weiterbildungen ausgesucht – diese Zeitblöcke müssen einerseits freigeschaufelt und auch finanziert werden. Da muss ich nicht nur das Zeitmanagement im Griff haben, auch das Finanzielle muss verwaltet werden.
Kannst du heute von deiner Arbeit im Coaching leben? Zu wie viel Prozent etwa?
Noch kann ich nicht nur vom Coaching leben. Zielsetzung ist es aber, mit den beiden Themen Coaching und Training meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Zurzeit würde ich sagen, nimmt Coaching mit Kunden und der Aufbau des Portfolios ca. 10 bis 15 Prozent meiner Arbeitszeit in Anspruch. Wie schon gesagt, ist es aus meiner Sicht schwierig, nur von Coaching zu leben. Ich denke, die Mischung Trainer/Coach ist sinnvoll und ich hoffe, mit den Trainings auch weitere Kunden für das Coaching zu akquirieren.
Alles zusammen genommen – würdest du den Schritt der Existenzgründung wieder tun?
Ja auf jeden Fall, ich habe den Freiraum den ich für mich benötige. Ich kann frei entscheiden, was für ein Training ich buche, was für einen Schwerpunkt ich setze und bin frei in der Zeiteinteilung meines Tages.
Natürlich gibt es auch Ängste, dass es alles nicht funktioniert und das doch eine Festanstellung „viel sicherer“ wäre. Aber die Fokussierung auf meine Selbstständigkeit als Coach und Projektleiterin hilft mir, bewusster Entscheidungen zutreffen!
Ein Vorteil der Selbstständigkeit ist, dass – falls das Thema, welches ich jetzt aufbaue und vorantreibe, mir irgendwann keinen Spaß mehr machen sollte – ich in Ruhe parallel ein anderes Thema aufbauen kann oder noch zusätzliche Themen aufnehme. Diese Freiheit hat man aus meiner Sicht nicht unbedingt bei einer Festanstellung, dort ist dann ein Jobwechsel angesagt oder ein interner Wechsel. Ich kann auch Themen ausprobieren und schauen ob es einen Markt und eine entsprechende Nachfrage gibt. Dies ist spannend und herausfordernd.
Zum Abschluss: Welchen Tipp kannst du anderen Menschen geben, die über eine Selbständigkeit als Coach nachdenken?
Eine Erkenntnis aus diesem ganzen Prozess ist, dass alles seine Zeit benötigt und das Loslassen wichtig ist. Sprich, nicht zu verkniffen an die Selbstständigkeit heran zu gehen kann sehr hilfreich sein. Direkt nach der Ausbildung hatte ich das Gefühl es muss jetzt alles ganz schnell gehen und ich will sofort an den Start. Damit habe ich mich selbst sehr unter Druck gesetzt! Erst als ich etwas „zurückschaltete,“ konnte ich mich mehr auf das Thema einlassen. Dies hat dann auch geholfen, meine Positionierung in Iterationen voranzutreiben. Gutes Zeitmanagement ist ebenfalls ein wichtiger Punkt, damit man sich nicht in den ganzen Themen verzettelt.