Sonja, nach deiner Coach-Ausbildung bei change concepts hast du dich als Coach selbstständig gemacht. Wann war das genau und was bietest du genau an? Wer ist deine Zielgruppe? Was macht dich als Coach aus?
Ich habe mich im Frühjahr 2013 als Coach selbstständig gemacht, zunächst nebenberuflich. Mittlerweile bin ich hauptberuflich als Systemischer Coach tätig.
Ich hole meine Klienten gern dort ab, wo sie sind. Ich hatte selbst eine Phase in meinem Leben, in der ich nur wusste, es kann so nicht weitergehen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass einige Entscheidungen und Veränderungen Zeit brauchen – die Notwendigkeit eine Veränderung zu akzeptieren und manchmal noch mehr, sie umzusetzen. Bei anderen Entscheidungen wiederum braucht es nicht viel, sie zu treffen und zu leben. Sich über Strukturen und Möglichkeiten klar zu werden, ist oft ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Ziel, und hier kann ein Coach unterstützen.
In der Regel kommen Privatkunden zu mir mit privaten oder beruflichen Anliegen. Ein Schwerpunkt meiner Arbeit liegt dabei auf „Balance.“ Das ist für mich mehr als der Modebegriff „Work-Life-Balance.“ Arbeit sollte ein Teil unseres Lebens sein und das in „guter“ Balance. Die sieht bei jedem Menschen anders aus, aber bei vielen gerät dies zunehmend aus dem Gleichgewicht. Burnout-Prävention oder ‑Verarbeitung sind daher auch Themen meiner Arbeit. Insgesamt verspüren viele Menschen den Wunsch, in Balance zu sein bzw. entstehen Veränderungswünsche oft, wenn wir aus unserer Balance geraten sind.
Ich arbeite gern mit Aufstellungen. Diese können helfen, Dinge zu visualisieren und neue Lösungsmöglichkeiten zu finden. Viele Menschen haben schon von Aufstellungen mit Repräsentanten gehört, oft Familienaufstellungen. Ich setze Aufstellungen auch im Einzelcoaching ein, mit Pappfiguren. Dies hat u.a. den Vorteil, dass auch sensible Themen vertraulich bearbeitet werden können. Und oftmals gewinnt man neue Erkenntnisse, auch wenn man das Problem eigentlich schon x‑fach im Kopf durchdacht hat. Aufstellungen sind zudem vielseitig nutzbar, für Familiensysteme oder auch Organisationen bzw. Teams. Ebenso können sie das Treffen von Entscheidungen unterstützen oder die Erreichung von Zielen bzw. Lösung von Problemen. Außerdem nutze ich Methoden wie EMDR, die auf neuen Erkenntnissen der Hirnforschung basieren und mit denen bspw. belastende Situationen oder Ängste nachhaltig und oft in kurzer Zeit verarbeitet werden können.
Wichtig ist mir bei all dem, meinen Kunden und deren Anliegen mit hoher Wertschätzung zu begegnen. Das könnte ich gar nicht anders. Ich mag es einfach, mit verschiedenen Menschen zu arbeiten und glaube, dass dabei jedes Anliegen seine Berechtigung hat. Ein vermeintlich gleiches Thema kann sich zudem bei verschiedenen Menschen ganz unterschiedlich darstellen, ich gehe daher immer individuell vor und ohne vorgefertigte Standardlösungen.
Wie lief das so mit der Existenzgründung? Was hat dir geholfen und welchen Herausforderungen hast du gegenüber gestanden?
Bevor ich zum Coaching kam, habe ich ein Startup-Unternehmen mit aufgebaut. Das war ein klassischer Auf- und Ausbau einer Firma: mit viel Begeisterung, sehr viel Arbeit und zunächst wenig Ressourcen und Strukturen. Diese Erfahrungen möchte ich nicht missen und sie helfen mir natürlich auch bei meiner Selbstständigkeit.
Als für mich fest stand, dass ich mich selbstständig machen werde, habe ich trotzdem noch einmal Gründungsseminare besucht und vieles im Internet recherchiert. Sehr gut und hilfreich fand ich dabei die Infos und Beratungsangebote vom Amt für Wirtschaftsförderung in Bonn. Ein Businessplan gehörte für mich auch zur Vorbereitung. Ich habe im Lauf meiner vorherigen Tätigkeiten auch mit Existenzgründern gearbeitet und einige Businesspläne gesehen. Ich wusste also, was einen „guten“ Businessplan ausmacht. Umso spannender fand ich, was es doch für ein Unterschied ist und wie viel Arbeit es macht, einen eigenen zu erstellen und die eigenen Zahlen schwarz auf weiß aufs Papier zu bringen. Ich glaube, das ist wichtig, um abzuschätzen, ob die eigenen Planungen realistisch sind. Und je besser die Vorbereitung, umso mehr Zeit und Energie kann man ab dem „Go“ ins eigentliche Tun und Coaching stecken.
Kannst du heute von deiner Arbeit im Coaching leben? Zu wie viel Prozent etwa?
Ich bin in der glücklichen Lage, dass ich in meiner Selbstständigkeit als Coach tun kann, was ich sehr gern mache, und dass ich davon leben kann. Meine Einzelcoachings werden dabei ergänzt durch Kurse, Seminare und Workshops. Neben dem Einzelcoaching nehme ich auch Projektaufträge als Honorarkraft an. Aktuell coache ich dabei arbeitssuchende und arbeitslose Menschen, zu beruflicher Orientierung, Selbstpräsentation und Zielerreichung. Aber auch Life-Balance, Stressbewältigung und Selbstwirksamkeit sind hier wichtige Themen.
Alles zusammen genommen — würdest du den Schritt zur Existenzgründung wieder tun?
Ein klares: Ja!
Zum Abschluss: Welchen Tipp kannst du anderen Menschen geben, die über eine Selbstständigkeit als Coach nachdenken?
Aus meiner Sicht ist eine fundierte Ausbildung das A und O, natürlich neben einer Begeisterung für das, was man tut. Ich glaube auch, beides bemerken Kunden. Wenn es um die Selbstständigkeit geht, sollte diese gut durchdacht, geplant und auch berechnet sein. Abhängig von der persönlichen Situation kann auch eine nebenberufliche Selbstständigkeit als Coach eine gute Variante sein oder ein sanfter Einstieg auf dem Weg zu einer späteren hauptberuflichen Selbstständigkeit.
Liebe Sonja, ich danke dir für das Interview!