Annette, nach deiner Coach-Ausbildung bei change concepts hast du dich als Coach selbstständig gemacht. Wann war das genau und was bietest du genau an? Wer ist deine Zielgruppe? Was macht dich als Coach aus?
Mit der Ausbildung war ich Anfang März 2014 fertig. Am 2.6.2014 habe ich dann ganz stolz meine nebenberufliche Tätigkeit angemeldet. Ich bin auch heute noch „zweigeteilt“: ich habe eine Festanstellung und arbeite zusätzlich als Coach. Ich bin überzeugt, dass das ein guter Weg ist, wenn man keine Rücklagen hat, um sich die erste Zeit über Wasser halten zu können. Und alleinerziehend mit zwei Kindern … da müssen ja Brötchen auf den Tisch. Deshalb gibt es auch den „Brötchenjob.“ Wenn ich ehrlich bin, war ich als erstes mit zwei Übungscoachings beschäftigt, die ich unbedingt noch machen wollte. Heißt: ich habe unentgeltlich Erfahrung gesammelt. Eine Zielgruppe hatte ich noch lange nicht! In dieser Zeit war ich im Prozess mit einer Kommunikationsdesignerin und Ende 2014 stand meine Website. Da wusste ich so in etwa, wo meine Reise als Coach hin gehen sollte. Es dauerte aber noch mal ein halbes Jahr, bis ich mich von zwei hindernden Glaubenssätzen verabschiedet hatte …
Wie lief das so mit der Existenzgründung? Was hat dir geholfen und welchen Herausforderungen hast du gegenüber gestanden?
Ich musste einiges „loslassen,“ um als Coach meinen Weg zu gehen. Ich bin ein sogenannter Scanner — die tun sich mit Festlegungen schwer ;-) Positionierung — eine Form der Festlegung — ist eh schon eine Kunst. Sogenannte vielbegabte Menschen tun sich damit teils noch schwerer. Heute bin ich der Coach für alle die #vorlauterBäumendenWaldnichtsehen. Ich arbeite mit vielbegabten Frauen, die ähnliche Wege gehen, wie ich sie gegangen bin. Ich habe viele berufliche Stationen hinter mir, spannende Zeiten, vielseitig. Immer wieder etwas wagen. Immer wieder Neues ausprobieren! Das klingt so locker, ist aber eine echte Herausforderung! Ich weiß wovon ich rede. Wer entdeckt, dass er eine besondere Form der Begabung hat (HSP, Multi-Begabung oder auch Hochbegabung), erlebt beim Erkennen große Erleichterung, steht danach aber vor der Aufgabe, diese Entdeckung in den Alltag zu integrieren und sich mit sich selbst und dem eigenen Lebensweg auszusöhnen. Da komme ich ins Spiel. Und das auf der Grundlage der Achtsamkeit. Warum Achtsamkeit? Ich habe eine Zeit großer Erschöpfung hinter mir, eine wichtige Erfahrung, die mich als Mensch und somit auch als Coach prägt. Und ich habe den Prozess des Entdeckens und Aussöhnens selbst erlebt: als Vielbegabte mit HSP-Anteil. Ich habe etwas gefunden, was hilft. Das Wissen und die Erfahrung rund um die Lebenshaltung der Achtsamkeit gebe ich heute weiter. In Seminaren, in Workshops und auf meinem Blog. Da ich merkte, dass ich in meiner Existenzgründung ein unterstützendes Netz brauchte, um mich und meine Zielgruppe und meine Vorgehensweise mit Angestellt- und Selbstständigsein zu finden, versuche ich, das heute in einem speziellen Gruppencoaching-Format Frauen zu bieten: Das Netz, das dich hält, stützt, aber auch der Raum, in dem du Feedback bekommst, hinterfragt und ermutigt wirst und immer der Coach an der Seite!
Kannst du heute von deiner Arbeit im Coaching leben? Zu wie viel Prozent etwa?
Nein, ich kann meine Familie noch nicht komplett davon ernähren. Aber ich bin auf einem guten Weg. Ich freue mich, sowohl meine Kosten in Bezug auf meine Tätigkeit, Weiterbildung etc. decken zu können und auch etwas für die volle Selbstständigkeit zurücklegen zu können. Es wird! Es gibt so viel an Projekten, die in den Startlöchern stehen, Ideen, die in der Zukunft ihren Platz haben werden — ich mache mir gerade keine Sorgen.
Das heißt, du planst, mittel- oder langfristig ganz selbständig zu sein?
Aber ja! Ich bin mit großen Schritten auf dem Weg zu diesem Ziel. Man muss etwas für sich entdecken: echtes unternehmerisches Denken. Dann kann man diesen Weg auch einschlagen. Ich denke zur Zeit nicht in Kategorien von „das ist angestellte Tätigkeit und das ist selbständige Tätigkeit.“ Ich habe ein Zeitkontingent — mein Leben. Ich habe Familie, ein Privatleben und ich arbeite gerne. Und das alles will finanziert sein. Zur Zeit ist es eine Mischfinanzierung, die sich aus einer Anstellung und Einkünften aus meinem Unternehmen zusammensetzt. In der Zukunft wird es eine Mischfinanzierung aus unterschiedlichen Projekten und Tätigkeitsfeldern innerhalb meines Unternehmens sein … das ist meine Denke.
Alles zusammen genommen – würdest du den Schritt der Existenzgründung wieder tun?
Ich würde das auf jeden Fall wieder machen! Ganz ehrlich: ich habe zum 1.1.2016 meinen ersten Unternehmensversuch beendet. Ich hatte schon mal den Traum … aber war viel zu unerfahren, auch etwas naiv, habe viele sehr typische Fehler gemacht. Diese Lernerfahrung nehme ich jetzt mit in die Zukunft und sehr, sehr viel läuft jetzt schon ganz anders!
Zum Abschluss: Welchen Tipp kannst du anderen Menschen geben, die über eine Selbstständigkeit als Coach nachdenken?
Übe dich in Geduld! Und lass dir Zeit, um dein Thema zu finden. Da draußen gibt es viele, die kein Thema haben, die „alles“ coachen. Aber jeder hat etwas ganz Spezielles zu geben. Selbst jeder Arzt hat eine Sache, in der er sich besonders zuhause fühlt. Ein Spezialisierung. Frag deinen Hausarzt: es wird Dinge geben, da schickt er dich immer zum Spezialisten und bei diesem einen Krankheitsbild, schöpft er aus dem Vollen, weil er sich auskennt, weil er da Fachmann ist, weil er — aus persönlichen oder Gründen des fachlichen Interesses — mit dieser Sache in Resonanz geht. Finde heraus, womit du in Resonanz gehst und gehe bei einer Sache in die Tiefe. Alles andere machst du früher oder später eh! Und ich denke, jeder der dieses Thema für sich findet, kann hier ein Spektrum an Aktivitäten aufmachen, mit dem er sichtbar ist und Geld verdienen kann. Denn darum geht es schließlich in der Selbstständigkeit. Sonst wäre unser Hobby Coach. Aber unser Beruf ist Coach. ;-)
Liebe Annette, ich danke dir herzlich für das Gespräch!